Am 4. Juli 2021 feierten wir in der Kleinen Kreuzgemeinde einen Radiogottesdienst, der über den NDR, WDR und RBB ausgestrahlt wurde. Die Predigt zu dem Gottesdienst findet man hier. Zudem brachten wir eine Hörszene ein, deren Text ich auf Wunsch von Zuschriften und Hörer-Reaktionen abdrucke.
Wir reisen zurück ins Jahr 1886. Dort begegnen wir den FRAUEN DER ERSTEN STUNDE. Die Teilnehmerinnen sind: Adelheid von Nürnberg, Louise Harms, Charlotte Kröplin, Auguste von der Lühe. Die vier sitzen an der Kaffeetafel. Sie unterhalten sich. Für unsere Hörspielszene greifen wir auf Aufzeichnungen aus dem Tagebuch von Charlotte Kröplin zurück und auf die Chronik unserer Gemeinde aus dieser Zeit:
Kaffeetisch – Gedeck als Atmo!
Adelheid: Du meine Güte! Wie die Zeit vergeht! Wir schreiben schon das Jahr Anno Domini 1886! Ach, ich habe vergessen mich vorzustellen: Adelheid von Nürnberg ist mein Name! Vor wenigen Jahren noch lebte ich auf dem Gutshof meines Vaters in Greifswald. Ich bin eine große Freundin der Mission. Ich habe viele Predigten von Louis und Theodor Harms nachgeschrieben und wissenschaftlich herausgegeben. Denn mit seinen Predigten löste Louis Harms eine Erweckungsbewegung aus. Louise, wirklich, deine beiden Brüder, Louis und Theodor, die haben eine Menge in Hermannsburg bewirkt!
Louise: Du sagst es, Adelheid, du sagst es. Jaaa, Louis, der groooße Prediger und Missionsmann. 1849 kamen Bauernsöhne und Handwerker und wollten wie die ersten Jünger in die Welt ziehen, Gottes Liebe mit Wort und Tat weitergeben. Theodor wurde schon bald Lehrer. Viele interessierten sich für einen Dienst in der weltweiten Mission. Louis wollte das Evangelium nach Ostafrika bringen. Sogar ein Missionsschiff wurde in Hamburg gebaut. Die „Candaze“. An all das wird man sich noch lange erinnern. Aber wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten. Jeden Morgen hielt Louis uns eine laaaaange Predigt statt einer einfachen Morgenandacht. Ich sagte oft zu ihm: Louis, wir haben draußen so viel zu tun, du könntest es wohl kürzer machen. Zuhören tun wir ja doch nicht. Unklar war, wohin es mit der Erweckung nach dem Tod von Louis gehen würde. Es gab Streit und Spannungen. Aber Du, beste Freundin Charlotte von Kröplin, du hast dir schon immer dazu Gedanken und mit spitzer Feder Notizen gemacht!
Kaffeetisch- Gedeck als Atmo!
Charlotte: Das stimmt. Louis geistgewirkte, machtvolle Predigten lösten die Erweckungsbewegung aus. Sie reichte in weite Teile des Hannoverlandes, nach Hamburg und ins Elsaß, nach Mecklenburg und Pommern, woher ich komme. Ich zog deswegen hierher, um dem Prediger und seiner Wirkungsstätte nahe zu sein; um mich „geistlich erbauen“ zu lassen. Hier durfte ich übrigens mit meinem geliebten Pflegekind Christiane Tahi aus Georgien zu meinem Familien- und Lebensglück finden. Übrigens hat auch Auguste von der Lühe ganz viel damit zu tun!
Auguste: Ich? Wie kommst Du denn darauf? Aber Du hast natürlich Recht: Mission ist eine Herzensangelegenheit. Schließlich hat mein Mann jahrelang jeden Pfennig und Taler gezählt, der für die Mission gespendet wurde.
Adelheid: Nicht nur das, Auguste von der Lühe, nicht nur das. Ihr habt jedem Fremden eure christliche Herberge geöffnet und mit eurer großen Gastfreundschaft liebend versorgt. Stimmt doch, Louise?
Louise: Ja, Adelheid, die Gastfreundschaft der von der Lühes kannte keine Grenzen. Viele Gäste konnten diese Zeit mit den laaangen Predigten meiner Brüder Louis und Theodor bei euch erleben.
Charlotte: Es war eine intensive Zeit, ich habe vieles aufgeschrieben und Notizen gemacht.
Auguste: Da ist doch noch die Geschichte mit Theo und der Frage nach der Gewissensfreiheit. Ausgelöst durch eine Debatte, wo eigentlich die Ehen geschlossen werden, soll. Zuerst in der Kirche und dann im Standesamt – oder doch andersherum?
Adelheid (schnell, aufgeregt dazwischenfunkend): Es ging nicht nur um Gewissensfreiheit!!! Es ging um Glaubensfreiheit!!!
Louise: Ist ja gut, beste Adelheid! Mein Bruder Louis starb am 14. November 1865. Da gingen die Debatten richtig los: Was bedeutet die kirchliche Freiheit? Es kam zur Trennung von der Landeskirche. Da hatten wir zwar Gewissensfreiheit. Dafür hat dann Theo gesorgt- nicht wahr, Charlotte?
Charlotte: Ja. Auf den ersten Blick ist Hermannsburg ein zutiefst geistlicher Ort, ein Ort der Erweckung und der Mission. Auf den zweiten Blick sieht man verschiedene Kirchen und somit eine Zerrissenheit und Dissonanzen. Das bewirkt schmerzliche Enttäuschung. Trennung hat einen hohen Preis! Wer aber Zeit, Liebe und Geduld aufbringt, erkennt beim dritten Blick eine wunderbare, tiefe Glaubenswelt, ein heiliges Leben in Gott. Das Wort Gottes schafft aber Freiheit und ist deswegen wie ein reinigender Sauerteig. Jetzt, nach dem Tod von Theodor am 16. Februar 1886 gibt es wieder Streit, diesmal über die Frage, wie wir auf kirchlich geordnete Weise einen guten Pastor in unsere Gemeinde bekommen. Die entstanden Uneinigkeit darüber muss wieder zur Trennung führen.
Auguste: Mein seliger Mann hat den Garten beim Haus wohl öfter ausgemessen, ob da wohl eine Kirche stehen könnte. Ich will das Haus und den Garten für eine zukünftige Kirche schenken. 2000 Taler lege ich noch dazu. Mit dem Pastor Dreves und einigen Vorstehern aus der Gemeinde sind wir uns schon einig geworden. Wir begründen die Kleine Kreuzkirche. Wir gehen künftig einen einsamen Weg, es geht nun mal nicht anders.
Adelheid: Ich stocke auf 5.000 weitere Taler auf.
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